Verbunden bleiben

Verbunden bleiben – und was das mit Würde zu tun hat

WÜRDE ist ein großes Wort. Aspekte davon sind, dass man gesehen wird, angenommen und akzeptiert wird. Man will Teil der Gesellschaft bleiben, dazugehören – und verbunden sein.

Dies gilt auch für Menschen mit Demenz. Und aus diesem Grund war das Motto des Welt-Alzheimertages im Jahr 2022 „Demenz – verbunden bleiben“. Bei uns in der Stuttgarter Fußgängerzone hat das lokale Bündnis für Demenz daher Präsenz gezeigt an einem stadtbekannten Brunnen. Die Teilnehmer kamen mit den Passanten ins Gespräch und beantworteten Fragen rund ums Thema „Demenz“. Wie die Organisator:innen berichteten, war es erstaunlich, wie viele Menschen gezielt kamen, um Fragen zu stellen und Hilfe zu bekommen. Um das Motto „Verbunden bleiben“ deutlich zu machen, gab es dort verschiedene Seile. Und immer, solange zwei oder mehrere Menschen im Gespräch gewesen sind, hat sich jeder Gesprächspartner am Seil festgehalten.

Es folgt eine Geschichte, die hier gut dazu passt:

Frau Stein muss ins Pflegeheim. Das hat sie sich nicht ausgesucht. Aber es ging nicht anders. Das sagen jedenfalls ihre Kinder. „Mama, du hast neulich fast die Küche abgefackelt“, spielt ihre Tochter auf den Tag an, als sie den Wasserkocher auf die heiße Kochplatte des Herdes gestellt hat. Außerdem hat Frau Stein neulich verpasst, aus dem Bus auszusteigen. Und dies, obwohl sie schon seit über dreißig Jahren an der gleichen Haltestelle aussteigt. Sogar den Namen ihrer Tochter hat Frau Stein neulich vergessen. Frau Stein ist traurig. Aber dann kommt ihre Enkelin Lisa. Die sagt: „Schau mal, ich habe hier eine Schnur dabei. Die schneide ich in der Mitte ab. Du bekommst eine Hälfte und ich eine Hälfte.“ „Und was soll ich damit?“, fragt Frau Stein. Die Enkelin lächelt: „Die Schnur soll eine Verbindung zwischen dir und mir sein. Und immer, wenn eine von uns die Schnur sieht, denkt sie an die andere. Ganz bestimmt denken wir immer wieder zur gleichen Zeit aneinander.“

„Verbunden bleiben“ kann bedeuten. Menschen mit Demenz sollen nicht abgeschoben werden. Die sozialen Kontakte tun ihnen gut: Seien es die Enkel, der Nachbar oder ein Vereinskollege. Und meist sind es nicht die großen Worte, die den Betroffenen helfen. Sondern die Tatsache, dass jemand einfach da ist, zuhört – vielleicht die Hand hält.

„Verbunden bleiben“ kann ebenso bedeuten: Verbunden bleiben mit der eigenen Biografie, den familiären Wurzeln und dem persönlichen Stil. Menschen mit Demenz haben einen Hintergrund, in dem sie geborgen sind. Es ist keiner wie der andere. Jeder ist auch deshalb so geworden, wie er jetzt ist, weil sein Umfeld so war, wie es eben war.

„Verbunden bleiben“ – da schwingt mit, dass es ein ganzes Umfeld um den dementen Menschen herum gibt. Ebenso dieses Umfeld braucht Beratung, Hilfe und Unterstützung. Dieses Umfeld, die Angehörigen, sind der größte – hauptsächlich ehrenamtlich tätige – Pflegedienst Deutschlands. Sie brauchen Verbindung, Unterstützung und Rückenstärkung.

Als Christ ist mir eine Verbindung noch besonders wichtig: die Verbindung zu Gott. Ich habe ihn als Schöpfer des Lebens kennengelernt und als einen, der Frieden in völlig chaotische Situationen hineinbringen kann. Manchmal hilft mir ein kleines Stoßgebet schon, um die Situation in einer neuen Perspektive zu sehen und wieder Kraft für den nächsten Schritt zu haben.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie „verbunden bleiben“. Dass Sie sehen, wo eine Schnur sein könnte, die Sie mit jemandem verbindet. Und dass Sie so Würde konkret erleben. Mögen Sie mindestens eine Verbindung (neu) entdecken, die Sie weiterbringt.

Ihr Uli Zeller