Ein Brief an die nächste Generation
Dankbarkeit und Hoffnung für die Zukunft
Ich schreibe jedes Jahr einen Brief an meine Kinder. Das Besondere daran: Unsere Kinder sind derzeit so klein, dass sie die Briefe noch gar nicht lesen können. Sie sollen die Briefe – so wünsche ich es mir – später öffnen, wenn sie erwachsen sind. Und beim Lesen wieder in ihre Kindheit eintauchen. Sich an schöne Dinge erinnern, aber auch nochmals Aspekte ihres Lebens, ihrer Prägung, ihres Geworden-Seins ganz neu einordnen können.
Im jeweiligen Jahresbrief schreibe ich über die persönliche Beziehung zwischen Vater und Kind. Über gemeinsame Erlebnisse und Ausflüge. Aber auch über Potenziale, die ich in ihrem derzeitigen Entwicklungsstadium sehe. Ich weiß nicht, wie alt ich werde und ob ich meinen Kindern die Briefe einmal persönlich übergeben kann. Ebenso habe ich noch keinen genauen Plan, ob ich meinen Kindern die Briefe einzeln oder als Paket überreiche.
Vielleicht bekommen sie die Briefe ab dem 13. Lebensjahr, vielleicht auch erst mit 18. Es kann sein, dass ich sie ihnen in chronologischer Reihenfolge gebe – eventuell beginnend mit der Geburt oder rückwärts. Oder durcheinander. Vielleicht gibt es in den nächsten Jahren auch einmal einen Brand in meinem Büro, sodass die Schatzkiste mit den Briefen verbrennt – und niemand sie jemals lesen wird.
Diese Briefe an meine Kinder zu schreiben, macht mich aber immer glücklich. Danach bin ich immer sehr dankbar für das, was Gott geschenkt hat. Dann freue ich mich immer (selbst wenn die Nächte mit kleinen Kindern manchmal schlaflos sind), dass ich gerade in dieser Lebensphase sein darf – mit meiner Frau an der Seite und den Kindern im Haus.
Meine Briefe sind (hoffentlich!) eine Investition in die folgende Generation. Selbst wenn sie irgendwann einmal verloren gehen oder nie gelesen werden sollten, mir schenken sie Zuversicht.
Bewusstes Aufschreiben – und vielleicht auch bloßes Nachdenken – kann dazu beitragen, positiv gestimmt in die Zukunft zu blicken. Und damit das, was vor einem liegt, hoffnungsvoll zu gestalten.
Eines meiner Bücher heißt „Frau Franke sagt Danke“. Es ist eigentlich ein Vorlesebuch für Menschen mit Demenz. In dem Zeitraum, in dem ich diese Geschichten der Dankbarkeit und Zuversicht geschrieben habe, habe ich selbst gemerkt, wie glücklich mich diese Gedanken machen.
In einer Geschichte in diesem Buch hat eine Frau eine besondere Angewohnheit. Sie hält kurz inne, wenn sie eine Kirchenglocke schlagen hört – und dann spornt sie sich selbst an. Für jeden Schlag, den sie hört, sucht sie einen Grund, um dankbar zu sein. Schlägt es also fünf Uhr, überlegt sie sich fünf Dinge, zum Beispiel:
- 1
Nach langer Trockenheit hat es endlich wieder geregnet.
- 2
Ich konnte heute die ersten Himbeeren der Saison essen.
- 3
Morgen rufe ich meine Schulfreundin Mathilde an.
- 4
Mein neuer Rollator ist doch tatsächlich eine Hilfe für mich – und erst hatte ich mich dagegen gesträubt, weil das doch nur was für alte Leute ist.
- 5
Ich habe den Esszimmertisch heute schön dekoriert.
Ja, wenn ich mir ein paar Dinge überlege, für die ich dankbar bin, fällt es mir schwer, damit wieder aufzuhören. Schnell kommt mir noch eine sechste, siebte und achte Sache in den Sinn. Und diese Gedanken tragen mich dann durch den Tag, begleiten mich und geben mir Mut und Hoffnung für die Zukunft.
Mich beeindruckt ein Lied von Paul Gerhardt. Der Dichter hat ein Lied über Dankbarkeit und Hoffnung geschrieben. Und das geht so:
Geh aus, mein Herz, und suche Freud
in dieser lieben Sommerzeit
an deines Gottes Gaben;
schau an der schönen Gärten Zier
und siehe, wie sie mir und dir
sich ausgeschmücket haben,
sich ausgeschmücket haben.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen hoffnungsvollen Sommer mit Zuversicht.
Ihr Uli Zeller
Autoreninfo:
Uli Zeller schreibt Vorlesebücher für Menschen mit Demenz sowie Ratgeber für ihre Betreuenden und Angehörigen. Das genannte Buch „Frau Franke sagt Danke“ ist vergriffen, aber beim Autor für 12 Euro zzgl. Porto noch direkt erhältlich – auf Wunsch auch signiert.
Kontakt: BestZeller@gmx.net