Schwindel: Wieder ins Gleichgewicht kommen

Beschwerden nicht ignorieren!

Sich schier endlos im Dreivierteltakt drehen oder auf einem schmalen Balken über einen Bach balancieren. Was Kindern noch so viel Freude macht, ist für ältere Menschen oft nicht mehr möglich. Was tun, wenn Schwindel auftritt? Erste Anzeichen von Schwindel müssen nichts Schlimmes bedeuten. Doch sie dürfen keinesfalls ignoriert werden! Der folgende Beitrag gibt Aufschluss darüber.

Wie funktioniert unser Gleichgewichtssinn eigentlich?

Unser Gleichgewichtsorgan hat seinen Sitz im Innenohr und setzt sich zusammen aus einem sehr kleinen, knöchernen System, das aus Bogengängen, Säckchen und Schnecken besteht. Dort befinden sich zusätzlich kleinste Rezeptoren. Letztere sind wichtige Messfühler, die permanent die Bewegungen unseres Körpers überwachen und ständig unserem Gehirn signalisieren, wo beispielsweise oben und wo unten ist. Zusätzlich sind diese Rezeptoren mit den Messfühlern der Augen und mit den Messfühlern der Muskeln und der Gelenke verschaltet, die ebenfalls Informationen ans Gehirn senden. Immer dann, wenn wir also „aus dem Gleichgewicht geraten“, reagieren unsere Messfühler in den Muskeln (die sogenannten Propriozeptoren) blitzschnell und leiten augenblicklich die notwendigen Ausgleichsbewegungen ein, die uns vor einem Sturz bewahren können. Wichtige Voraussetzung für ein reibungsloses Funktionieren ist hier, dass unsere drei Sinneskanäle (Hören, Sehen, Tasten) gut funktionieren und dass diese die gleichen Informationen an unser Gehirn liefern.

Schwindel Infografik

Und was kann es bedeuten, wenn man öfters an Schwindel leidet?

Schwindel zeigt Ihnen an, dass eine Störung des Gleichgewichtssystems vorliegt. Und Schwindel kann durchaus viele Ursachen haben, beispielsweise Durchblutungsstörungen im Gehirn oder eine Entzündung des Gleichgewichtsnervs. Ebenso können losgelöste Kalkkristalle im Ohr oder ein überstandener Schlaganfall Schwindel verursachen. Aber auch psychische Gründe wie Angst oder Stress können Schwindel auslösen. Bei einem akuten, heftigen Schwindel oder dem Gefühl, zur Seite zu kippen, sollten Sie auf jeden Fall sofort zum Arzt gehen. Bei nahezu 95 Prozent der Schwindelpatienten kann die Ursache für die Symptome gefunden und durch eine individuelle, auf den Betroffenen abgestimmte Therapie behandelt werden.

Zunächst einmal kommt hier eine gute Nachricht für Sie: Gegen den Schwindel können Sie als Patient oft selbst etwas unternehmen. Um schwindelfrei mobil zu bleiben, müssen Sie einfach darauf achten, dass Sie Ihr Gleichgewichtssystem trainieren. Dies gilt umso mehr und ganz besonders für die älteren Menschen unter uns. Mit den hier nachfolgenden Übungen können Sie Ihren Gleichgewichtssinn fördern. Die Übungen können Ihnen dabei helfen, Beschwerden vorzubeugen und die eigenen motorischen Fähigkeiten zu verbessern. Oder sie können Ihnen ebenso dabei helfen, dass Sie sich nach einer bereits überstandenen Schwindelerkrankung wieder sicherer in Ihrem Alltag bewegen können.

Marc Ellinghaus

Hinweis für Ihre Gleichgewichtsübungen

Empfohlene Übungen zur Verbesserung Ihres Gleichgewichtes und bei bereits vorhandenem Schwindel finden Sie auf der nächsten Doppelseite

Bitte beachten Sie vor der Durchführung der Übungen die Empfehlungen Ihres Arztes und besprechen Sie mit ihm, welche Übungen für Sie geeignet sind. Wenn Ihnen beim Kopfdrehen oder Kopfnicken oder beim Nachoben-Schauen öfter schwindelig wird, empfehlen wir von der Ergotherapie der Diakoniestation Stuttgart Ihnen spezielle Dreh- und Nickübungen aus einer Broschüre, die in Zusammenarbeit mit dem Robert-Bosch-Krankenhaus, dem Klinikum Stuttgart und den SRH Kliniken Karlsbad-Langensteinbach entstanden ist.

Wenn diese Übungen bei der Durchführung Schwindel verursachen, kann dies ein Zeichen dafür sein, dass Sie genau diese Übungen benötigen, allerdings sollten Sie diese langsam und in einem sicheren Rahmen durchführen – also bei Ihnen zu Hause und im Beisein einer weiteren Person.

Die Übungen sollten Sie nicht durchführen, wenn dabei folgende Symptome bei Ihnen auftreten: Stechender, schwerer oder anhaltender Schmerz in Nacken, Kopf oder Ohr; Taubheit oder Geräusche im Ohr; Ohnmacht und Bewusstlosigkeit, Doppelbilder; körperliche Schwäche oder ein Kribbeln in den Armen oder Beinen. Konsultieren Sie in diesem Fall sofort Ihren Arzt und beachten Sie unbedingt seine Anweisungen!

Übungen zur Verbesserung Ihres Gleichgewichtes

Führen Sie die Übungen als Stufe 1 stets zuerst im Sitzen mit geöffneten Augen durch, erst anschließend als Stufe 2 im Sitzen mit geschlossenen Augen. Erst, wenn das problemlos geht, gehen Sie einen Schritt weiter, indem Sie als Stufe 3 im Stehen mit offenen Augen und als Stufe 4 im Stehen mit geschlossenen Augen in sicherer Umgebung trainieren. Führen Sie die genannten Übungen wenn möglich ein bis zweimal am Tag durch, erst langsam, und dann später – wenn Sie keine Probleme mit der langsamen Folge haben – auch schneller. Es ist wichtig, dass Sie sich einen Plan machen und aufschreiben, wann und wie oft Sie geübt haben, sonst verläuft womöglich alles im Sande!

1. Drehen

Schauen sie abwechselnd nach rechts und nach links und drehen Sie dazu Ihren Kopf, sodass er Ihrem Blick folgt. Drehen Sie Ihren Kopf dabei so weit wie problemlos möglich. Warten Sie dann 10 Sekunden und drehen Sie anschließend noch 10-mal Ihren Kopf wie beschrieben.

2. Nicken

Schauen Sie abwechselnd nach oben und nach unten und heben und senken Sie dazu Ihren Kopf, sodass er Ihrem Blick folgt. Tun Sie dies 10-mal innerhalb von 10 Sekunden. Heben und senken Sie Ihren Kopf dabei so weit, wie es für Sie problemlos möglich ist. Warten Sie dann 10 Sekunden, und wiederholen Sie die Übung anschließend noch 10-mal.

3. Es folgt nun Kopfdrehen mit geschlossenen Augen.

4. Jetzt Kopfnicken mit geschlossenen Augen.

5. Drehen/Fixieren

Halten Sie einen Finger ca. 20 cm senkrecht vor sich, führen Sie die Übung „Drehen“ (siehe Nr. 1 oben) aus und fixieren dabei Ihren Finger mit den Augen. Bleiben Sie mit Ihren Augen immer am Finger. Warten Sie dann 10 Sekunden und wiederholen Sie anschließend noch 10-mal.

6. Nicken/Fixieren

Halten Sie einen Finger waagrecht vor sich. Führen Sie die Übung „Nicken“ (siehe Nr. 2 oben) aus und fixieren Sie dabei Ihren Finger mit den Augen. Bleiben Sie mit Ihren Augen immer am Finger. Warten Sie dann 10 Sekunden und wiederholen Sie die Übung anschließend noch 10-mal.

Weitere Tipps und Übungen

Darüber hinaus gibt es einfache Gleichgewichtsübungen, die Sie durchführen können, um wieder …
… sicherer auf den Beinen zu sein
… schneller auf Unebenheiten oder Lageveränderungen reagieren zu können sowie
… Ihre Koordination zu verbessern

Stellen Sie sich dazu hinter einen festen stabilen Stuhl oder an die Küchenarbeitsplatte oder in eine sichere Ecke Ihrer Wohnung.

1. Die einfachste Übung,

die fast jeder schafft, ist das Gehen auf der Stelle. Das wird ebenso im Bewegungspass der Stadt Stuttgart empfohlen. Wir berichteten darüber. Wenn Sie das sehr langsam machen, tun Sie auch schon etwas für Ihr Gleichgewicht. Stellen Sie sich hierbei einen Kurzzeitwecker auf 1 Minute ein. Wenn das gut klappt, erweitern Sie beim nächsten Mal auf 2 Minuten.

2. Tandemstand:

Das heißt, ein Fuß steht genau vor dem anderen, Ferse und Zehen berühren sich, stehen in einer Linie. Halten Sie diese Position und zählen Sie langsam bis zwanzig. Prima, wenn Sie das geschafft haben!

3. Zehenstand:

Stellen Sie sich auf Ihre Zehenspitzen und halten Sie diese Position etwas. Mehrmals wiederholen. Wenn Sie dies auf festem Boden geschafft haben, versuchen Sie das Ganze vielleicht auch vorsichtig auf einem Schaumstoffkissen.

4. Fersenstand:

Ziehen Sie die Fußspitzen hoch und stehen Sie auf Ihre Fersen. Nehmen Sie dabei den Oberkörper sowie die Hände etwas nach vorne, das hilft Ihnen, die Balance zu halten.

5. Gehen im Fersengang

6. Gehen auf den Zehenspitzen

7. Gehen im Zehen-/Fersengang:

Das heißt, Sie setzen stets einen Fuß vor den anderen, Sie gehen auf einer imaginären Linie umher.

8. Schaffen Sie vielleicht auch den Einbeinstand?

9. Rückwärtsgehen

(bitte stellen Sie vorher sicher, dass Sie nirgendwo anstoßen)

10. Ausfallschritt

Machen Sie einen großen Schritt nach vorn und verlagern Sie Ihr Gewicht aufs vordere Bein. Hierbei gehen Sie automatisch mit Ihrem vorderen Bein etwas in die Beugung. Dann stoßen Sie sich ab und gehen wieder zum Ausgangspunkt zurück. Auch diese Übung wird im Bewegungspass der Stadt Stuttgart beschrieben, wir berichteten.

11. Um auch das Hoch-tief-Gehen zu üben,

können Sie zunächst sitzend auf einem Stuhl eine Mineralwasserflasche vor sich auf dem Boden abstellen. Gehen Sie wieder hoch. Dann bücken Sie sich, nehmen Sie die Flasche hoch und stellen Sie diese rechts neben Ihren Stuhl. Gehen sie wieder nach oben. Dann bücken Sie sich wieder herunter, nehmen Sie die Flasche wieder hoch und stellen sie dann links neben Ihren Stuhl. Wenn das problemlos geht, versuchen Sie dies im Stehen.

Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Üben. Und noch was: Geben Sie nicht so schnell auf!

Brauchen Sie Hilfe bei den Übungen? Unsere Ergotherapeuten sind Ihnen gern behilflich, wenn Sie uns ein Rezept vom Arzt vorlegen. Außerdem hoffen wir, Ihnen bald wieder Präventionskurse anbieten zu können, die Ihnen die Krankenkasse dann zu mindesten 80 Prozent erstattet.

Vera Scheurenbrand
Leitung der Praxis für Ergotherapie
der Diakoniestation Stuttgart