Demenz – Vom Umgang mit dem Vergessen

Demenz – Vom Umgang mit dem Vergessen

In den letzten Jahren ist die Demenz wie kaum eine andere Erkrankung in den Blickpunkt der Öffentlichkeit gerückt. Nicht zuletzt durch die mediale Aufmerksamkeit ist dieses Thema in weiten Teilen der Bevölkerung nicht unbekannt, allerdings auch häufig mit Ängsten besetzt. So stieß bereits 2011 der über alle Medien verbreitete Bericht über den Freitod des bekannten Kunstmäzen Gunter Sachs auf ein breites Verständnis, hatte dieser sich doch nach der – von ihm selbst gestellten – Diagnose „Alzheimer-Demenz“ das Leben genommen, um dem erwarteten „würdelosen Zustand des Verlusts der geistigen Kontrolle zu entgehen. Dem gegenüber steht der 2012 erschienene Kinofilm „Vergiss mein nicht“ des Regisseurs David Sieveking. In diesem vielfach ausgezeichneten Film dokumentiert er über einen Zeitraum von anderthalb Jahren das Leben mit seiner demenzkranken Mutter, die trotz ihres Gedächtnisverlusts bis zu ihrem Tod eine Persönlichkeit mit ihrer eigenen Würde war. Unumstritten ist jedoch, dass der demografische Wandel mit der steigenden Zahl an alten und hochaltrigen Menschen und die damit verbundene Zunahme der an Demenzkranken für Gesellschaft, Politik, die Betroffenen und deren Angehörige eine enorme Herausforderung darstellen.

Rund achtzig Prozent aller Demenzkranken werden von ihren Angehörigen versorgt und begleitet, von (Ehe-)Partnerinnen und Partnern, Kindern und Schwiegerkindern, Enkelkindern oder anderen Familienmitgliedern und von Freundinnen und Freunden (Angaben: Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.v.).

Daher sind die Angehörigen meist die wichtigsten Bezugspersonen für Demenzkranke – dies gilt nicht nur für zu Hause, sondern auch für einen Aufenthalt in einer Klinik, in einem Pflegeheim oder bei der Versorgung durch die Diakoniestation Stuttgart. Deshalb sollte es ebenso überall dort das Ziel sein, Angehörige in die Gestaltung der „letzten Lebensphase“ mit einzubeziehen. Aber zunächst muss Demenz als Erkrankung begriffen werden, die das gesamte Leben einer Familie verändert. Im Krankheitsverlauf übernimmt der Angehörige immer mehr Aufgaben und Alltagsverrichtungen. Zusätzlich müssen die Versorgung und Pflege organisiert werden. Deshalb soll die Frage nach den Bedürfnissen der Erkrankten und der Angehörigen in dieser herausfordernden Lebensphase in meinem Artikel vertieft werden.

Kommunikation mit demenziell veränderten Menschen:

Kommunikation mithilfe der Sprache.

Die Kommunikation wird in der Regel über das gesprochene Wort geführt. Wenn die Wortsprache nicht mehr gesprochen und ebenso nicht mehr verstanden wird, stellt das die Menschen vor große Herausforderungen. Das wird bei einer demenziellen Veränderung besonders deutlich. Hier wird die Sprache immer einfacher. Aus komplexen Sätzen werden im Laufe der Zeit Drei-Wort-, Zwei-Wort- oder später dann auch Ein-Wort-Sätze. Darum ist es im Kontakt mit demenziell veränderten Menschen unter Umständen wichtig, langsam und deutlich zu sprechen, einfache Worte und kurze Sätze zu verwenden sowie Pausen zuzulassen. Das kann dem Betroffenen häufig helfen, dem Sprecher zu folgen. Bei der Begrüßung sollte der Betroffene mit Namen angesprochen und im Gespräch der Augenkontakt gehalten werden. Die Worte, die der Erkrankte selbst nicht findet, können auf selbstverständliche und ruhige Weise ergänzt werden. Bevorzugen Sie solche Fragen, bei denen die Antwort kurz ausfallen kann. Es kann hier von Vorteil sein, wenn Sie auf bekannte Sprichwörter und Redewendungen zurückgreifen.

Kommunikation, die über das gesprochene Wort hinausgeht.

Je mehr die Fähigkeit der verbalen Kommunikation verloren geht, desto wichtiger werden die nonverbale Körpersprache und Körperhaltung. Die Körperhaltung sagt viel über das momentane Befinden aus. Menschen können darin Haltungen wie Aufmerksamkeit, Nervosität oder auch Desinteresse ablesen. Auf dieser nonverbalen Ebene kann mit dem Erkrankten noch kommuniziert werden, wenn Worte keine oder nur noch wenig Bedeutung haben. So kam der US-Psychologe Albert Mehrabian 1967 bereits zu dem Ergebnis, dass die Wirkung unserer Worte zu 38 Prozent von unserer Stimme beeinflusst wird. Ganze 55 Prozent hängen von Körpersprache, Gestik und Mimik ab – und nur sieben Prozent des ersten Eindrucks werden vom tatsächlichen Inhalt des Gesagten bestimmt. Somit ist es besonders wichtig, über die Körperhaltung das eigene Interesse und Zugewandtsein auszudrücken. Ferner können Berührungen wohltuend wirken und freundschaftliche Nähe und Zuwendung ausdrücken. Achten Sie jedoch immer darauf, dass keine Grenzen überschritten werden. Hier ist eine Sensibilität notwendig, die erkennt, ob die demenzkranke Person Berührungen überhaupt als positiv empfindet. Es kann lebensgeschichtliche Hintergründe geben, die körperliche Nähe schwierig machen.

Die Art und Weise, wie kommuniziert wird.

Die sogenannte paraverbale Kommunikation beschreibt die Bedeutung von Stimmklang und Tonfall, in welchem Worte gesprochen wurden. Das verleiht den Worten erst die eigentliche Bedeutung. Denn mit dem Klang der Stimme wird mitgeteilt, wie man etwas meint, wie man zum anderen steht und ihm gegenüber eingestellt ist. Ebenso hörbar werden die eigene Befindlichkeit und Stimmung. Personen, die aufgrund einer Demenzerkrankung Sprachinhalten nicht mehr folgen können, nehmen beim Zuhören nach wie vor den Stimmklang wahr und reagieren darauf emotional. Denn jede Wahrnehmung hat eine psychische Innenseite und wird gespürt. Übrigens haben Geräusche und Klänge einen besonders starken Einfluss auf die Befindlichkeit eines Menschen. In der Musiktherapie wird dies gezielt genutzt, um beispielsweise jemanden emotional zu erreichen oder Entspannung und Freude erlebbar zu machen. Viele Geräusche stellen aber für den eingeschränkten Menschen eine Überforderung dar. So können an Demenz erkrankte Menschen die Gleichzeitigkeit von Musik im Hintergrund und Gespräch nicht verarbeiten, deshalb sollte das vermieden werden.

Ein paar wichtige Regeln für den Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen:

1. Informieren Sie sich über die Erkrankung

Bald nach der Diagnosestellung sollten Sie bereits wissen, wie die Erkrankung verlaufen könnte. So haben Sie die Möglichkeit, sich besser darauf einzustellen und Sie können dann schon lernen, besser damit umzugehen.

2. Informieren Sie sich über die möglichen Hilfsangebote

Bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft werden vielfältige Informationen angeboten. Sie können sich aber auch bei der Diakoniestation Stuttgart über die vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten der ambulanten Pflege informieren.

3. Schämen Sie sich nicht

Eine demenzielle Erkrankung ist eine Erkrankung des Gehirns. Wir müssen lernen, die Auswirkungen von Demenzen ebenso zu akzeptieren wie die von anderen körperlichen Krankheiten, wie beispielsweise eines Schlaganfalls.

4. Stellen Sie sich auf die Vergesslichkeit ein

Demenziell erkrankte Menschen können sich vielleicht nichts Neues mehr merken, dagegen kann die Erinnerung an frühere Zeiten oder an früher Gelerntes lange erhalten bleiben. Stärken Sie das Selbstbewusstsein des Betroffenen, indem Sie ihm lösbare Aufgaben stellen.

5. Konfrontieren Sie den Kranken niemals mit seinem Versagen

Menschen mit einer demenziellen Erkrankung merken ganz oft, dass sie alltägliche Dinge nicht mehr erledigen können. Häufig verstehen sie zudem komplexere Zusammenhänge nicht mehr und es fehlt ihnen vielleicht sogar das Sprachvermögen, um sich anderen Menschen mitzuteilen. Gerade daran verzweifeln die Betroffenen oft und werden in der Folge mutlos oder auch wütend. Verstärken Sie dieses Verhalten nicht noch durch Diskussionen darüber, sondern versuchen Sie vielmehr, die Betroffenen zu beruhigen und abzulenken.